Politische Musik

Musik

Politische Musik kann ein weites Spektrum umfassen, von Staatsmusik, Stücken mit dezidiert politischem Inhalt, sozialkritischen Liedern bis hin zu Musik, die kontextbedingt eine politische Dimension erhält. Damit ist bereits eine definitorische Problematik angerissen: Der eng gefasste Begriff verlangt eine inhaltlich klare politische Ausrichtung, der weite schließt auch Musik ein, die durch den spezifischen Kontext eine politische Aufladung bzw. Bedeutung erfährt. 1 Dabei stellt sich die Frage, ob jedes sozialkritische oder in einen politischen Zusammenhang gestellte Werk damit sogleich politisch wird.

Welche Funktion hat Musik für einen Staat?

Abhängig von der Staatsform und der normativen Ordnung der Gesellschaft kann sie in ihrer Funktionalität verschieden sein. Grundsätzlich hat Musik symbolischen Charakter, z.B. in Form einer Nationalhymne, sie repräsentiert den Staat vor allem im Außenverhältnis. Nach „innen“, also gegenüber den Bürgern dient sie gewissermaßen der Affirmation zum Staat. In nicht demokratischen Systemen stellt Musik darüber hinaus auch den Ausdruck von Macht dar, wie beispielsweise früher in der höfischen Kultur. Die (nicht nur) funktionale „Verschmelzung“ von Staat und Musik lässt sich in den totalitären Systemen des 20. Jahrhunderts, dem NS‐Regime und den sozialistischen Staaten der Sowjetunion feststellen. 2
Zum einen sollte Kunst der jeweiligen Ideologie dienlich sein. Zum anderen wurde Musik gezielt als Teil einer alle Bereiche der Gesellschaft umfassenden staatlichen Propaganda eingesetzt. Dieser Instrumentalisierung liegt die Annahme zugrunde, Musik habe einen „staatstragend[en]“ 3 Charakter. Hier schließt sich die Frage an, inwieweit Musik ausschließlich in totalitären Staaten eine konstitutive Funktion hat. Am Beispiel der USA wird deutlich, dass Musik auch in demokratischen Staaten, eine wichtige identitätsstiftende Rolle spielen kann: An vielen Schulen wird an einem oder mehreren Tagen der Woche vor Schulbeginn „unter der Fahne“ gemeinsam die Nationalhymne gesungen und ein Treueschwur auf den Staat abgelegt. 4

Wie wird unpolitische Musik politisch?

Während Nationalhymnen oder staatliche Propaganda‐Lieder der Politischen Musik zugeordnet werden können, können Lieder ohne politischen Bezug einen solchen erhalten, wenn sie in einen anderen Sinnzusammenhang gestellt werden. Beispielhaft soll dies hier an dem Lied „Gewinner“ des deutschen Singer‐Songwriters Clueso und der späteren Adaption durch Studenten der JLU Gießen während des sog. „Bildungsstreik“ 2009, der sich u.a. gegen die Studienbedingungen allgemein sowie Probleme in Folge der Einführung der Bachelorund Masterstudiengänge richtete, verdeutlicht werden. Das Lied hat keinen politischen Bezug, es wird eine Beziehungssituation thematisiert, in der sich zwei Menschen voneinander entfremden. Mit kleinen Änderungen am Text 5 (z.B. wurde die Refrain‐Zeile „Ich bin dabei, Du bist dabei, wir sind dabei, uns zu verlieren.“ zu „Ich bin dabei, Du bist dabei, wir sind dabei, zu demonstrieren.“) sowie öffentlichen Aufführungen im Rahmen des Streiks wurde ein unpolitischer Song adaptiert und in den politischen Kontext der Bildungspolitik gestellt ‐ das Lied „Gewinner“ als solches jedoch bleibt dabei unpolitisch.

Neben staatlicher Musik wie einer Nationalhymne, deren Stellenwert bereits angerissen
wurde, versuchen politische Akteure immer wieder, sich in den Zusammenhang mit Musik zu bringen: Im Bundestagswahlkampf 2005 wurde „Angie“ von den Rolling Stones quasi zur inoffiziellen Hymne der CDU 6, der amerikanische Präsident Obama sucht die Nähe zu dem erfolgreichen Rapper Jay‐Z. 7

Was aber nun kann ein Politisches Lied bewirken?

Neben der zu transportierenden Botschaft, kann es Emotionen und Meinungen erzeugen oder verstärken – die thematische und musikalische Affinität der Rezipienten vorausgesetzt. 8 Musik als Teil Politischer Kommunikation kann als Beitrag innerhalb dieses Prozesses angesehen werden, ihr (subversiver oder affirmativer) Wirkungsgrad sollte in demokratischen Systemen jedoch nicht überschätzt werden.

[PDF zur Diskussion im Seminar]

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1 Widmaier, Tobias: „Politisches Lied“, in: Honegger, Marc; Massenkeil, Günther (Hrsg.): „Das große Lexikon der Musik“, Bd. 6, Freiburg, u.a. 1976, S. 301‐302, S. 301.
2 Vgl. Mecking, Sabine; Wasserloos, Yvonne: „Musik – Macht – Staat. Exposition einer politischen Musikgeschichte“, in: Mecking, Sabine; Wasserloos, Yvonne (Hrsg.): „Musik – Macht – Staat – Kulturelle soziale und politische Wandlungsprozesse der Moderne“, Göttingen 2012, S. 11‐38, S. 25 f.
3 Vgl. ebd., S. 25.
4 Der Treueschwur ist der sog. „Pledge of Allegiance“. Vgl. den Originaltext unter: http://www.sos.wa.gov/flag/pledge.aspx (letzter Abruf: 06.12.2013).
5 Vgl. die Textfassung des Gießener Streikchors unter http://www.squashorbit.com/video/ELWBAxw8pWI (letzter Abruf 03.12.2003).
6 o.A.: Wahlkampf‐Hymne: Stones sauer wegen „Angie“, in Der Spiegel Online, 22.08.2005, http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/wahlkampf‐hymne‐stones‐sauer‐wegen‐angie‐a‐370866.html (letzter Abruf: 06.12.2013).
7 Vgl. Landler, Mark: „Beyoncé and Jay‐Z Host Obama Fund‐Raiser“, in: The Caucus. The Politics and Government Blog of The Times, http://thecaucus.blogs.nytimes.com/ (letzter Abruf: 06.12.2013).
8 Vgl. Heister, Hans‐Werner: „Politische Musik“, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil, Bd. 7, 2. Ausg, Kassel u. a. 1997, Sp. 1662 –1682, Sp. 1664f.

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